Experiment Brummton Simulation

Um den Brummton zu charaterisieren, kann man ihn mithilfe einer Audio-Software nachempfinden und über die Signalzusammensetzung auf seine Entstehung schließen. Ein Notebook oder Smartphone mit der passenden Audio-App und ein Paar Ohrhörer genügen als Ausrüstung für einen relativen Lautstärke- und Klangvergleich zwischen Brummton im Kopf und dem simulierten.

Manche Tablet-PC geizen extrem mit Batterieladung und Bauraum, sodass die Soundkarte überhaupt keine Bässe mehr liefert, auch nicht über Ohrhörer. Das lässt sich aber im Datenblatt herausfinden oder ausprobieren. Ich verwende ein EliteBook 8530 von HP und das liefert ab etwa 25 Hz bereits gute Schalldruckpegel auf die Ohren.

Gitarrendemo zum Schwebungseffekt

Die Schwebung ist ein Akustikphänomen, welches bei der Analyse der Brummtonfrequenzen sehr hilfreich ist. Sind zwei nicht genau synchrone Oszillatoren über ein Medium miteinander gekoppelt, entsteht durch Addition beider Frequenzen eine zusätzliche dritte Schwebungsfrequenz. Laufen die zwei Oszillatoren exakt synchron, verschwindet die Schwebungsfrequenz (Schwebungsnull). Das ist nützlich wenn Musiker ihr Saiteninsrument stimmen oder um einen simulierten Brummton mit dem echten Brummton im Ohr abzugleichen.

Im Klangbeispiel (Audio 1) demonstriere ich die Schwebung auf meiner Gitarre. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, das die Brummton-Resonanzen beider Cochleas leicht unterschiedlich sind, z.B. 70 Hz und 71,5 Hz, dann entsteht so die Brummton-typische Schwebung mit etwa 1,5 Hz im Kopf.

 

Audio 1: Demo einer Schwebung auf der Gitarre. Kopfhörer lassen den Effekt klarer hören.

 

Sind die Saiten einer Gitarre verstimmt und der Spieler zupft die gleiche Note auf zwei unterschiedlichen Saiten gleichzeitig an, entönt ein wabernder dissonanter Klang (Chorus-Effekt) bei starker Verstimmung ein schriller Klang (Bild 1).

Schwebung-Dissonanz

Bild 1: Wenn die gleiche Note auf zwei verstimmten Gitarrensaiten singend, wabernd oder schrill klingt, spricht man von Schwebung, die als zusätzlicher dritter Ton auftritt.

Bringt man die Seiten in eine gut abgestimmte Harmonie, klingt die gleiche Note auf zwei unterschiedlichen Saiten glatt und klar. Die Schwebung verschwindet und es entsteht im Kopf ein merkwürdig holer, monotoner Klangeindruck (Bild 2).

Schwebungsnull

Bild 2: Wenn die gleiche Note auf zwei gut gestimmten Gitarrensaiten glatt und klar klingt, spricht man von Schwebungsnull.

Schwebungsversuche mit der Audio-Software

Mit der Audio-Software "Cool Edit Pro2" habe ich einige Schwebungsversuche gemacht und vier verschieden Schwebungskonstellationen aneinander gereiht.

Folgende vier Parameter habe ich variiert:

  • Frequenz von Stereo-Oszillator 1
  • Frequenz von Stereo-Oszillator 2
  • Balance Oszillator 1 von -100 % (links) bis +100% (rechts), 0% beide Seiten gleich laut
  • Balance Oszillator 2 von -100 % (links) bis +100% (rechts), 0% beide Seiten gleich laut

Das Klangbeispiel Audio 2 unten besteht aus vier Sequenzen mit jeweils 10 Sekunden Dauer:

Sequenz 1 (0:00 - 0:10)

  • Oszillator 1 = 70,0 Hz, Balance = 0%
  • Oszillator 2 = 70,0 Hz, Balance = 0%

Konstanter monotoner Brummton: keine Amplitudenmodulation und keine Phasenmodulation

Sequenz 2 (0:10 - 0:20)

  • Oszillator 1 = 70,0 Hz, Balance = 0%
  • Oszillator 2 = 71,5 Hz, Balance = 0%

Stark pulsierender monotoner Brummton: Amplitudenmodulations-Hub 100%, Freq. 1,5Hz und keine Phasenmodulation

Über Ohrhörer hört jedes Ohr die Frequenz beider Oszillatoren in voller Lautstärke, jedoch als von der Audio-Software vorgefertigtes Summensignal mit vollem AM-Hub. Weil zwischen dem linken und rechten Ohr keine Phasenmodulation vorliegt, hat dieser simulierte Brummton keinerlei räumliche Wirkung.

Sequenz 3 (0:20 - 0:30)

  • Oszillator 1 = 70,0 Hz, Balance =+30%
  • Oszillator 2 = 71,5 Hz, Balance = -30%

Wabernder Brummton mit Raumklang: AM-Hub 60%, Freq. 1,5Hz und Phasenmodulation

Sequenz 4 (0:30 - 0:40)

  • Oszillator 1 = 70,0 Hz, Balance = +100%
  • Oszillator 2 = 71,5 Hz, Balance = -100%

Konstanter Brummton mit Raumklang: keine AM, aber volle 1,5Hz Phasenmodulation

Über Ohrhörer hört das rechte Ohr nur den Oszillator 1 in voller Lautstärke, das linke Ohr hört Oszillator 2 in voller Lautstärke. Die zeitvariable Phasenlage zwischen beiden Oszillatoren und somit zwischen dem rechten und linken Ohr erzeugt im Gehirn einen rämlichen Phantomklang, sodass der simulierte Brummton singend durch den Raum wandert.

 

Bild 3: Dargestellt sind die Oszillogramme der vier 10-Sekunden-Sequenzen mit unterschiedlichem Schwebungsklang. Die Elipsen in Orange und Hellblau sollen auf die Phasenlage zwischen dem rechten und linken Stereo-Kanal hinweisen. Details bei Bildvergrößerung besser erkennbar.

 

Audio 2: Vier Audiosequenzen zu je 10 Sekunden demonstrieren unterschiedliche Schwebungskonstellationen. Ohrhörer lassen den Effekt klarer hören. Mit kleiner Lautstärke beginnen!

Zusammensetzung des Brummtons

Die verwendeten Sinustöne sind ein Gemisch aus 35 Hz bzw. 35,7 Hz Grundwelle (20%) und 70 Hz bzw. 71,4 Hz 1. Oberwelle (60%), um dem Brummton mehr Druck und psychologische Wirkung zu verleihen. So emfinde ich ihn auch, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich die 35 Hz bei der gehörten Brummtonlautstärke tatsächlich raushören kann. Jedenfalls fühle ich irgendwie oft einen leichten Druck auf dem Brustbein oder bilde es mir ein - schwer zu sagen. Es ist ein Gehfühl, was ich sonst so nicht kenne.

Der Brummton entsteht in beiden Hörschnecken

In meiner Umgebung ist es sehr still, daher kann ich den Brummton sehr genau verfolgen und nachsimulieren. Bei mir bleibt die Brummtonfrequenz 24/7 unerschütterlich konstant. Die Schwebung hingegen ist sehr lebendig, ändert den Rhythmus (Schwebungsfrequenz von 0 bis 3 Hz, meistens jedoch etwa 1,5Hz) und den Charakter der pulsierenden Lautstärke (Amplitudenmodulations-Hub (AM) von 0% bis 100%). Auch der Raumklang variiert irgendwie von monoton mittig im Kopf bis singendes durch den Raum schwebend (Phansenmodulation (PhM) von 0° bis 180°).

Was sagt mir das? Der Hub der AM bestimmt das Pulsieren der Lautstärke, die PhM bestimmt die Räumlichkeit. Gesteuert wird das alles nur über die beiden Frequenzen und die Balance. Wenn ich nun an die Entstehung des Brummtons im Kopf denke, genauer gesagt die zeitgleiche Entstehung der beiden Brummtöne in den beiden minimal unterschiedlich gebauten Hörschnecken (Cochlea), kommt mir in den Sinn, dass es sich hier um zwei Oszillatoren handeln muss, die nicht synchron laufen.

Eine Cochlea resoniert mit 70 Hz, die andere vielleicht mit 71,5 Hz, was in einer wabernden Brummtonlautstärke mit 1,5 Hz resultiert. Abhängig von Kopfpositionen, -bewegungen, Stress oder Ruhe, Druckausgleich oder sonst irgendeiner physischen körperlichen Verfassung verstimmen sich die Resonanzfrequenzen beider Cochleas ganz minimal, was die lebendige Frequenzänderung der Schwebung erklärt.

Während die Schwebung als Phantomgeräusch ein psychoakustischer Effekt des Gehirns ist, sind die beiden fast frequenzgleichen Brummtöne im rechten und linken Innenohr eine reale physikalische Membranschwingung. Die Brummtöne sind ein normaler physikalischer Ton, der ganz regulär von den Haarsinneszellen detektiert wird. Der Unterschied besteht in der Anregung der lokalen Membranoszillation, die nicht über das Mittelohr kommt, sondern über eine Störgröße von der Seite, wie beispielsweise elektromagnetische Wellen, Körperschall, Chemikalien, Nervenüberreizung, Quereinwirkung der Augen etc.

Was sich aus den Schwebungseffekten des Brummtons weiterhin ableiten lässt, bespreche ich im Abschnitt Entstehung.